Glimmers
von Alexia Mavridou | am Monday 28 April 2025

Sonnenstrahlen berühren sanft alte Gläser, verstaubte Vasen und Möbel mit Vergangenheit. Es ist dunkel im Raum, im Haus, im Schuppen, wir wissen nicht, wo wir sind. Doch wir beobachtendie Protagonistin Isabel (Patricia López Arnaiz), wie sie beobachtet, berührt und stöbert. Langsam wird klar, hier werden Gegenstände verkauft, von Menschen, die nicht mehr mit uns weilen. Der Tod ist allgegenwärtig, auch in einem neuen Fundstück, wie das, was Isabel und ihr Mann Nacho (Julián López) für ihr neues Landhaus mitnehmen.
Der dritte Spielfilm Glimmers (Originaltitel: Los Destillos) der spanischen Regisseurin, Drehbuchautorin und Goya-Preisträgerin Pilar Palomero handelt vom (Durch)Schimmern, der Begegnung und dem Tod. Denn als Isabels Tochter Madalen (Marina Guerola) in die Heimat fährt, bittet sie ihre Mutter darum, ihren Vater Ramón (Antonio de la Torre) zu besuchen. Isabels Ex-Mann ist schwer krank und wird sterben. 15 Jahre ist die Trennung zwischen ihr und Ramón her. Ihre Vergangenheit schien überwunden. Doch in dem Moment, in dem Isabel der Bitte ihrer Tochter nachgeht, erfährt sie Widerstand – in sich und von Ramón. Der Zwist ist zu groß. Ramón ist Familie, bekannt wie ein altes Buch. Doch zugleich ist er ein Fremder, zu dem sie keinen Zugang finden kann und will. Was zur Trennung führte, erfahren wir nie. Doch aus Liebe zu ihrer Tochter überwindet sich Isabel, schwer, leise und doch leidvoll, und stellt sich ihren Mauern, die so schnell wieder da waren.
Wie ist es, einen Menschen zu begleiten, wohl wissend, dass er bald stirbt? Dieser Frage geht Palomeros Film nach, der auf einer Kurzgeschichten des Buches „Bihotz handiegia“ (engl. Titel: A heart too Big) der baskischen Autorin Eider Rodriguez basiert. So wie alle Filme Palomeros versucht auch dieser nicht zu werten und dramatisch zu sein. Er ist laut in der Stille der Begegnung zweier Menschen. In Glimmers geht es um ein Licht, das durchscheint, trotz aller Mauern, ein Durchkommen gegen alle Widerstände, eine Berührung im weitesten Sinne. Wie können wir als Menschen unsere Ängste überwinden, und Liebe neu wagen? Was machen wir Menschen aus unseren Begegnungen, die ein Ende zu haben scheinen? Isabel dachte, ihre Beziehung zu Ramón hatte ein Ende. Doch das Leben bietet ihr ein zweites Ende, die Trennung durch den Tod.
Die Perspektiven in Glimmers sind vielschichtig, und subtil. Die Angst um den Tod ist sanft und doch laut. Isabels Tochter Madalen vernachlässigt ihr Studium, um bei ihrem Vater Ramón zu sein. Ihr Mann Nacho, unterstützend, sieht im Stillen zu, wie eine alte Familie neue Wege versucht zu finden. Seine Frau Isabel geht ambivalent auf Ramón zu, um ihm wiederzubegegnen, bis dass der Tod sie scheidet. Lange versteckt sie sich immer wieder hinter Türen, hinter Wänden, wendet ihren Blick ab, beobachtet aber voller Zuneigung und Angst, im Unwissen ihrer Liebsten. Was ist, wenn Liebe stirbt und neu, anders wiederaufersteht?
Das Ende des Films ist immer schon bekannt. Es geht um den Weg dorthin. Das alte Wissen, was uns im Heranwachsen zum Ende unseres Lebens eine verborgene Entdeckung bleibt. Was am Ende Isabel gewinnt, ist Ruhe und Zuwendung zum Licht. Sie verbirgt sich nicht mehr. Denn sie weiß, wenn langsam und schwer die Kirchturmglocken läuten, dann ist jemand ist gestorben. So denkt sie an Ramón, und vergisst ihre Angst vor dem schrecklichen Ende.