22.04. ‐ 27.04.2025

Rote Sterne überm Feld

von Oğulcan Korkmaz | am Saturday 26 April 2025

Laura Laabs | 2025 | Experimentelle Satire | Germany

Lichter Filmfestcritics blog

Rote Fahnen wehen wieder über dem Reichstag. Eine Frau ist auf der Flucht und findet sich in ihrem Heimatdorf wieder. Eine Leiche taucht aus dem Moor auf. Führt die Fährte zu ungeklärten Familienverhältnissen in der NS-Zeit? Zu den Verlierern der Wiedervereinigung? Oder doch zum RAF-Terrorismus? Alte Wunden werden wieder sichtbar, und die Geschichte eines Dorfes geht auf.

Ins tiefe Mecklenburg-Vorpommern treibt es Tine hin. Nach einer Protestaktion ihrer Organisation „Ästhetische Linke“, bei dem die Deutschland-Flaggen auf dem Reichstagsgebäude mit roten Fahnen ausgetauscht wurden, kehrt sie in ihre Heimat Bad Kleinen zurück. Der Ort wirkt zunächst unscheinbar. Felder, soweit das Auge reicht, alle kennen sich untereinander. Alte Menschen regen sich über Windräder auf, und eine Neo-Nazi-Clique gibt es auch, ein typisch ostdeutsches Dorf eben. Doch in den Tiefen des Moors verbergen sich Geheimnisse. Nachdem Tines Kindheitsfreund ihr von der NS-Vergangenheit seiner Familie berichtet, baggern Archäologen eine Leiche aus dem Moor. Tine kommt dies verdächtig vor, und sie setzt sich zum Ziel, die Herkunft der Leiche zu klären.

Und so verläuft das experimentelle Drama in mehrere kleineren Geschichten, die zerstreut in den Film eingebaut werden. Neben der Nazi-Familie, bei der ein Bruder nach dem anderen in den Krieg zieht, nur um da zu sterben, berichten die Älteren im Dorf auch über einen Mann namens Willi, der während der Widervereinigung versuchte, die alte DDR-Landwirtschaftsgenossenschaft aufrecht zu erhalten, und von einem Vorfall mit RAF in den 90er Jahren, als es Tote am lokalen Bahnhof gab, ist auch immer wieder die Rede. Und was hat es mit dem Erlkönig auf sich, der sich im Moor versteckt?

Dabei ist der Film alles andere als konventionell, von imitiertem Schwarz-Weiß-Analogfilm über Talk-Show-Einschübe bis hin zu Tagesschau-Sendungen ist alles dabei und wirkt fast satirisch. So humoristisch es auch wird, schafft es der Film auch, ernste und sogar düstere Szenen in sich zu vereinen, ohne dass es aus dem Rahmen fällt. ROTE STERNE ÜBERM FELD gelingt es, die narrativen Fäden auf interessante Weise miteinander zu vereinen.

Jedoch verirrt der Film sich immer wieder in problematische Richtungen, sodass irgendwann auch die Frage berechtigt ist: „Für wen soll dieser Film eigentlich interessant sein?“ Till Lindemann im Jahre 2025 als den Erlkönig zu sehen, kann man mit gutem Herzen noch als „unglücklich gelaufen“ abtun, auch wenn in den düsteren Szenen die Rammsteineske Ästhetik, bei der sich der Film bedient, nicht unpassend ist. Das wirkt jedoch noch vergleichsweise unproblematisch im Verlauf des Filmes.

Dass Tine mit Neo-Nazis Bier trinkt, als wäre es ganz normal, hat schon einen faden Beigeschmack, doch dass ein Neo-Nazi und ein Berliner Hipster-Linker zusammen eine Line ziehen und sich dadurch verbrüdern, dass eigentlich die gesellschaftliche Mitte der Feind ist, kam ganz schön unerwartet. Absurder wird es, als sich die „Linke Aktivistin“ Tine ausgerechnet Windräder als kapitalistisches Symbol und somit als Feindbild ausfantasiert, da ergibt der Name „ästhetische Linke“ mehr Sinn, denn an jeglicher tiefgehender Kritik mangelt es. Man fragt sich, wieso Tine so wütend wird bei dem Gedanken, dass die AfD regieren würde. Macht es für Sie einen Unterschied? Mit Nazis chillen ist für sie offensichtlich kein Problem, und eine Person mit Migrationsgeschichte taucht auch nicht auf. Dass das Ausländischste an diesem Film, der sich anscheinend so tiefgründig mit der deutschen Geschichte auseinandersetzt, ein russischer Traktor ist, verwundert auch nicht. Hier sieht man, die deutsche Geschichte ist vor allem weiß und schön deutsch.

Aber sei es drum, dafür gibt es in jeder Szene genug Ostalgie. Wir hören zwar mehrmals einen Punk-Song, der immer wieder betont, wie scheiße anscheinend Deutschland ist, aber dies wirkt bestenfalls ironisch, denn eigentlich ist ROTE STERNE ÜBERM FELD eine reine Liebeserklärung an Deutschland, ein perfektes Exportmittel, um der Welt zu zeigen, wie großartig wir doch eigentlich sind, und wie vorbildlich wir mit unserer Vergangenheit umgehen. Das Ende fasst das perfekt zusammen. Hier sieht man eine wilde Mischung aus Frauen mit traditionellen Trachten, Nazis und Arbeiter aus der DDR gemeinsam auf ein Feld tanzen. Im besten Fall soll das alles provozieren und dann bleibt dennoch die Frage: für wen ist dieser Film? Ein Film, der keine neue Einsichten bezüglich der NS-Zeit oder der Wiedervereinigung gewährt, der, wenn man es böswillig sehen möchte, die rechte Szene verharmlost, und der pseudopolitischen Kämpfe gegen Windräder aufreißt. Am Ende bleibt nur Enttäuschung. ROTE STERNE ÜBERM FELD hat eine Frische und sogar was Mutiges für einen deutschen Film, und missglückt dennoch.

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