22.04. ‐ 27.04.2025

Des Teufels Bad

von Alexandra Schumacher | am Friday 2 May 2025

Veronika Franz, Severin Fiala | 2024 | Horror | Germany, Austria

Lichter Filmfestcritics blog

Ein Dorf irgendwo in Oberösterreich, Ende des 18. Jahrhunderts: Die junge Agnes (Anja Plaschg) ist frisch verheiratet und wünscht sich ein Kind. Gleich nach der Hochzeit zieht sie mit ihrem Mann, Wolf (David Scheid), in eine abgelegene Hütte im nahegelegenen Wald. An diesem düsteren und verlassenen Ort wird sie – langsam, jeden Tag ein bisschen tiefer – in „des Teufels Bad“ fallen, ein volkstümlicher Ausdruck für eine Depression. Einer der Gründe dafür ist ihr unerfüllt bleibender Kinderwunsch, denn Wolf ist homosexuell und schläft nicht mit ihr. Nach und nach hört Agnes auf, sich um den Haushalt zu kümmern, bis sie ihre Tage am Ende nur noch im Bett liegend verbringt. Agnes möchte „weg sein aus der Welt.“ Doch Suizid – das erfahren wir am Beispiel eines Nachbarn, der sich erhängt – ist für die streng katholische Gesellschaft der damaligen Zeit die schlimmste Sünde, noch schlimmer selbst als Mord. So muss Agnes einen anderen, vielleicht noch brutaleren Weg finden, sich zu erlösen.

Für Agnes, wie für so manch andere Frau in ihrem Jahrhundert, heißt diese Lösung „suicide by proxy“ – ein noch relativ wenig beachtetes und erforschtes Phänomen. Da die Menschen zu dieser Zeit stark religiös waren, mussten jene, die Selbstmord begehen wollten, erst einen anderen Menschen töten. Denn dadurch wurden sie rechtmäßig hingerichtet, was wiederum bedeutete, dass sie vor ihrem Tod die Beichte ablegen konnten, um von ihren Sünden freigesprochen zu werden. Meist waren es Frauen, die diesen „suicide by proxy“ begingen. Ihre Opfer hingegen waren überwiegend Kinder, da diese als unschuldig galten und nach christlicher Logik von daher auch ohne Beichte in den Himmel kamen. Des Teufels Bad zeigt diesen absurden Leidensweg mit erschütternder Genauigkeit.

Die ausgeprägte Gläubigkeit der Menschen, die in diesem ländlichen, abgeschiedenen Mikrokosmos leben, spielt eine allgegenwärtige Rolle und ist der eigentliche Grund für Agnes' immer größer werdende Verzweiflung. Ständig sieht man Kruzifixe, die Kirche, Leute beim Gebet. Doch es ist genau diese Gottesfürchtigkeit, die die frommen Dorfmenschen zu Unmenschen macht: vor allem denen gegenüber, die sich nicht anpassen können oder wollen – wie Agnes, die fast kindlich fasziniert ist von der Welt um sie herum, und die das Hausfrauendasein als restriktiv empfindet.

Erfreuend ungewöhnlich in Des Teufels Bad ist auch der Cast: So kennt man David Scheids Gesicht eher aus Komödien wie Sargnagel, während die Hauptdarstellerin Anja Plaschg unter ihrem Künstlernamen Soap&Skin primär Musik macht. Der düster-sphärische Soundtrack zum Film ist übrigens auch von ihr. Das Regie-Duo Franz und Fiala haben schon mit ihren vorherigen Projekten – Ich seh Ich seh und The Lodge – bewiesen, dass sie sich im Horrorgenre bestens auskennen. Auch ihr neuester Film ist ohne Frage unheimlich, jedoch auf einer anderen Ebene.

Zwar gibt es Momente des Schocks und Ekels – etwa wenn wir den abgetrennten und langsam verwesenden Kopf einer Kindsmörderin sehen – jedoch bleibt dieser Horror auch immer erklärbar: Er ist eingebettet in die damalige Zeit, in der alltägliche Grausamkeiten gang und gäbe waren. Mitunter besteht ein ganz gewöhnliches Hochzeitsspiel etwa daraus, dass die Männer des Dorfes sich die Augen verbinden und mit einer Sense solange auf ein im Boden eingegrabenes Huhn schlagen, bis dessen Kopf abgetrennt ist. Und abgeschnittene Finger der bereits erwähnten Kindsmörderin – welche symbolisch auch Agnes' späteres Schicksal andeutet – werden dann auch ganz gerne mal zum Talisman.

Doch Des Teufels Bad zeigt neben all der Barbarei vor allem Elemente eines Psychodramas. Die langsame Erzählweise und die psychologisch immer düsterer werdenden Bilder des Films spiegeln den progressiven Verfall der Protagonistin wider. Depression und Todeswunsch sind Themen, die jeden Film schwer machen. Schwer anzusehen und zu begreifen. Aber Des Teufels Bad geht noch ein wenig schmerzhafter unter die Haut. Was zuerst verspricht, ein Folk-Horrormärchen wie The Witch zu werden, entpuppt sich als eine langsame und bedrückende Studie des psychischen Verfalls, die man nur mit extremem Unbehagen anschauen kann.

Verstörend, betäubend, und doch kann man nicht weggucken: Des Teufels Bad ist ein Film, der einem nach dem Schauen sicherlich noch lange beschäftigen wird, da er in seiner Intensität und Brutalität seinesgleichen sucht.

>