22.04. ‐ 27.04.2025

Dead Mail

von Oğulcan Korkmaz | am Dienstag, 6. Mai 2025

Kyle McConaghy, Joe DeBoer | 2024 | Thriller | USA

Lichter FilmfestKritiker Blog

Zwei Frauen sitzen sich gegenüber. Zwischen Ihnen ein Tisch. Auf dem Tisch liegt ein Berg von Briefen und Paketen. Sie nehmen sich einen nach dem anderen. Unleserliche Adressen werden korrigiert, Briefe ohne Adresse gar aufgerissen. Wo sollten diese Briefe ursprünglich hin? Mit dieser Frage beschäftigen sich Bess und Ann in ihrem Alltag. Spannend wird es normalerweise nicht. Die Reise nicht überlebt hat ein Kuchen in einer Paketbox, dieser wird ignoriert, viel interessanter ist die glänzende Halskette. Keine Adresse ist angegeben. Dies ist eine Aufgabe für Jasper, den Tüftler, ein wahrer Virtuose, wenn es darum geht, einen Empfänger wiederzufinden. Mit der Halskette ist ein Brief beigelegt, allein die Beschreibung von Wetter, Flora, Fauna und geographischen Eigenschaften reichen, damit Jasper auf die Person stößt, an die die Kette gerichtet war. Unruhe kehrt jedoch ein, als Bess einen blutverschmierten Zettel aus der Menge zieht, mit einer gekrakelten Schrift steht eine Adresse und die Worte „HELP ME, KIDNAPED, HIS NAME IS“.

Kyle McConaghys und Joe DeBoer Horror-Thriller macht eine Paketstation im amerikanischem Mittleren Westen zum Zentrum des Geschehens. Mit Zeitsprüngen und einer nichtlinearen Erzählweise wird langsam das Mysterium um diesen grotesken Zettel gelöst. Für uns Zuschauende jedoch gibt es zunächst kein Mysterium. DEAD MAIL beginnt mit einem offensichtlich gefangengehaltenen Mann, der es irgendwie schafft, aus einem Haus auszubrechen, und diesen Zettel in den Briefkasten zu schmeißen, bevor er erwischt wird. DEAD MAIL beginnt mit Tempo und Stress, wir sind sofort in Bann gezogen. Wer ist dieser Mann? Wieso ist er eingesperrt? Und gibt es keinen besseren Weg als einen Brief? Dies erweist sich jedoch als richtige Entscheidung, denn der Zettel landet in den Händen des bereits erwähnten Jaspers, der der geheime Star des Filmes ist. Jedes Bild mit Jasper wird mit einer überragenden Coolness gefüllt. Schade nur, dass er nicht der Einzige ist, den dieser Zettel beunruhigt.

Trent ist ein offener Typ, der auch in jedem Moment die richtigen Worte findet. Für uns ist ab dem ersten Moment an klar, irgendwas stimmt nicht mit ihn, auf einer Synthesizer-Messe sucht er sich sein Ziel aus, der arme Instrumentenbauer Josh soll es sein. Trent wird für Josh so etwas wie ein Sponsor, ein Ziehvater und ein bester Freund zugleich. Trents übertriebene Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft lässt auch ganz normale Situationen unangenehm wirken. Die Freundlichkeit verzieht spätestens, als Josh ein Jobangebot in Japan annimmt. Wenn Trent ihn nicht freiwillig bei sich haben kann, so muss er ihn mit Gewalt festhalten.

DEAD MAIL ist vertraut mit Horror- und Thriller-Konventionen und schafft es, diese Ästhetik auch gut in seine Narrative mit einzubringen. Die detektivische Suche nach dem Ursprung des blutverschmierten Zettels ist fesselnd, und Joshs elendiger Zustand in Trents Keller löst Unbehagen aus. Jedoch sollte man hier keinen Gore Film oder Torture Porn erwarten. DEAD MAIL ist sehr gemäßigt in seiner Darstellung von Gewalt, die in diesem Fall durchaus angemessen gewesen wäre, allein um die Härte der Situation wiederzugeben. Vor allem jedoch hapert es mit der Erzählweise. Man kommt um das Gefühl nicht herum, dass sich DEAD MAIL in Sequenzen, die man hätte schneller abhaken können, zu viel Zeit gelassen hat, und wiederum in anderen Sequenzen, die richtig spannend sein könnten, zu schnell auserzählt. So entsteht ein komischer Ritt im Kino mit einem intensiven Anfang, gefolgt von sehr langer Exposition.

DEAD MAIL kann man jedoch trotzdem nur als einen interessanten Film beschreiben. Er schafft ein Setting, was man so noch nicht kennt, und präsentiert uns sympathische und auch irgendwie empathische Charaktere. Klänge von Synthesizersounds und kirchlichem Orchester werden sich durch den Film ziehen, und trotz ihrer warmen und bergenden Natur interpretieren sie DEAD MAIL in Furcht und Spannung um. Im Kern ist DEAD MAIL ein aufregender Horrorfilm. Dennoch bleibt dass Gefühl, dass hier etwas Potenzial unausgeschöpft geblieben ist.

>