22.04. ‐ 27.04.2025

Des Teufels Bad

von Tharaka Sriram | am Donnerstag, 8. Mai 2025

Veronika Franz, Severin Fiala | 2024 | Horror | Deutschland, Österreich

Lichter FilmfestKritiker Blog

Eine junge Frau am Fenster. Schummriges Licht erhellt ihr Gesicht. Ein Schmetterling. Die junge Frau schluckt den Schmetterling. Das ist für mich die eindrücklichste Szene in diesem Film. Eine Szene, die mich nicht mehr loslässt.

Oberösterreich, 1750: Die junge Agnes (Anja Plaschg) heiratet den schweigsamen Bauern Wolf (David Scheid) und zieht mit ihm in ein düsteres Haus. Dort erwartet sie ein Leben endloser körperlicher Arbeit, emotionaler Kälte und der Druck, schwanger zu werden. Ihre Schwiegermutter Gänglin (Maria Hofstätter) wird allen Stereotypen einer bösen Schwiegermutter gerecht. Agnes, religiös und auf der Suche nach Leben und Lebensfreude, verzweifelt in einer Welt, in der es keinen Unterschied zu machen scheint, ob sie existiert oder nicht. Sie kommt in "Des Teufels Bad", wie zur damaligen Zeit mangels medizinischen Verständnisses eine Depression genannt wurde.

Welche Lösung der Film präsentiert, darauf sollte man sich als Zuschauer*in einlassen, ohne sich vorher über die genauen Filminhalte zu informieren.

Kameramann Martin Gschlacht fängt auf sensationelle Weise die karge Landschaft und die bedrückende Atmosphäre in Farbtönen der Düsternis ein. Die Filmmusik, komponiert von Soap & Skin, der Hauptdarstellerin selbst, unterstreicht die zunehmende Verzweiflung. Das Regieduo Veronika Franz und Severin Fiala, haben auch für diesen Film wieder "Mutterschaft" als Sujet in den Fokus gerückt und sind sich thematisch treu geblieben: Ihre beiden Vorgängerfilme, die sie international bekannt gemacht haben, "Ich seh Ich seh" (2014) und "The Lodge" (2019), erkundeten ebenso auf intensive Weise Themen der weiblichen Identität und Selbstbestimmung.

In "Ich seh, Ich seh" (2014) kehrt eine Mutter nach einer Gesichtsoperation zu ihren Zwillingssöhnen zurück. Die Kinder zweifeln an ihrer Identität und die Situation eskaliert. Im Film "The Lodge" (2019) verbringen Kinder mit der neuen Freundin ihres Vaters Zeit in einer abgelegenen Hütte. Die Kinder missbrauchen ihr Wissen über die Traumata der Schwiegermutter in spe. Beide Filme setzen sich kritisch mit den Erwartungen und Herausforderungen auseinander, denen Frauen in familiären Rollen begegnen. Sie zeigen, wie gesellschaftliche Normen und persönliche Traumata die Wahrnehmung und Ausübung von Mutterschaft beeinflussen können. Durch die Darstellung von Isolation, Misstrauen und psychischer Belastung werfen die Filme wichtige Fragen zur Rolle der Frau in der Familie und Gesellschaft auf.

Vielleicht auch daher der Kinostart am 8. März 2024, dem Weltfrauentag.

Als Horrorfilm vielfach deklariert, findet sich der wahre Horror nicht in übernatürlichen Wesen, sondern in der Realität: Wie Menschen miteinander umgegangen sind, vor allem mit marginalisierten Gruppen. In Vergangenheit, Gegenwart und so, wie es sich abzeichnet, wahrscheinlich auch bis in alle Zeiten, solange der Mensch existieren wird. "Homo homini lupus" – ein lateinisches Sprichwort, übersetzt "Der Mensch ist des Menschen Wolf", das ein historisch oft verwendetes negatives Menschenbild beschreibt.

"Des Teufels Bad" thematisiert die Unterdrückung von Frauen im 18. Jahrhundert und die Auswirkungen religiöser Dogmen auf das individuelle Leben. Der Film gibt den unsichtbaren und ungehörten Frauen jener Zeit eine Stimme und zeigt, wie gesellschaftliche Normen und religiöse Zwänge zu psychischer Zerstörung führen können.

Hat sich die Welt wirklich weiterentwickelt?

In Zeiten des globalen Vormarsches von Faschismus, Klimawandel, steigender Inflation und Krieg sind Rechte von Frauen und anderen marginalisierten Menschen in Gefahr. Auch die generelle menschliche Existenz – Arbeiten und Kampf ums Überleben, die Gefährdung der körperlichen und seelischen Gesundheit angesichts steigender Anforderungen – all das findet sich in der heutigen Welt wieder.

So hätte das freie Ausleben von Queerness auch eine positive Wendung im Film erwirken können: Wolf, der Ehemann von Agnes, ist in Wirklichkeit in Lenz verliebt. Daher resultiert auch sein fehlendes sexuelles Interesse an Agnes. Lenz begeht im Laufe des Filmes Selbstmord und Wolf verliert seine wahre Liebe.

Anja Plaschg, bekannt als Musikerin von Soap&Skin, überzeugt in ihrer ersten Hauptrolle als Agnes. Sie verkörpert die innere Zerrissenheit und Verzweiflung der Figur mit beeindruckender Tiefe. Agnes – dieser Name scheint mit Bedacht gewählt worden zu sein: Er stammt aus dem Griechischen und bedeutet „die Reine“ oder „die Keusche“. Der Name wurde im Christentum besonders durch die heilige Agnes von Rom (3. Jahrhundert) bekannt, eine Märtyrerin, die als junges Mädchen für ihren Glauben starb und als Symbol für Reinheit und Standhaftigkeit gilt. Ihre Geschichte und ihr Aussehen haben viele Parallelen zur Geschichte der Agnes im Film. Die heilige Agnes wird heute als Patronin der Jungfrauen und Kinder verehrt.

Eine symbolische Verbindung dazu schafft auch der im Christentum zentrale Begriff "Agnus Dei": Der Ausdruck „Agnus Dei“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich „Lamm Gottes“. Er ist ein zentraler Begriff in der christlichen Theologie und Liturgie und bezieht sich auf Jesus Christus, der als Opferlamm angesehen wird, das die Sünden der Welt trägt. Die heilige Agnes von Rom, eine frühchristliche Märtyrerin, wird oft mit einem Lamm dargestellt, das ihre Reinheit und Unschuld symbolisiert.

Tierleid und Tiertod sind im Film stets präsent, die Menschen sind hierbei nicht ausgenommen. Ziegen, Fische und Hähne - auch hier wieder Tiere, die im Christentum eine hohe Symbolkraft besitzen. Was uns zurück zum Schmetterling bringt: Für Agnes ist der Rückzug in die Natur – als Kontrast zur christlichen Religion – und beispielsweise das damit verbundene Sammeln von Schmetterlingsflügeln der einzige Trost in ihrem engen, freudlosen Leben.

Sie sammelt, was sie nicht haben kann: Der Schmetterling steht heutzutage weltweit für Transformation, Neubeginn, Vergänglichkeit , Freiheit, Leichtigkeit und Schönheit. Doch zu der Zeit, in der der Film spielt, hatten Schmetterlinge eine andere Bedeutung: Haben Sie sich einmal gefragt, woher der Schmetterling seinen Namen hat? Der Name stammt aus dem Mittelhochdeutschen „smetterling“, das vermutlich auf das Wort „Schmetten“ zurückgeht – eine alte Bezeichnung für Rahm oder Sahne. Dieses Wort ist mit dem tschechischen „smetana“ verwandt, das ebenfalls „Sahne“ bedeutet.

Im Volksglauben galten Schmetterlinge als Verkörperungen von Hexen, die in dieser Gestalt Milch und Butter stahlen oder verdarben. Besonders in ländlichen Regionen Österreichs war dieser Glaube verbreitet. Diese Vorstellung wurde vor allem dann bemüht, wenn Milch sauer wurde oder Tiere krank wurden – man suchte nach Schuldigen, und der Volksglaube erklärte es mit Hexerei. Frauen, die beschuldigt wurden, solche „Butterhexen“ zu sein, konnten schweren Strafen ausgesetzt sein, einschließlich Folter und Verbrennung. Deshalb bekamen die Tiere diesen Namen – ähnlich wie im Englischen „butterfly".

Schmetterlinge ernähren sich nicht von Milchprodukten. Der Name „Schmetterling“ ist ein sprachliches Fossil aus der Zeit des Aberglaubens. Der Schmetterling, den Agnes schluckt, schmeckt womöglich nach all dem, was sie niemals erlangen wird. "Des Teufels Bad" zeigt eine realistische und gekonnte historische Auseinandersetzung über die psychische Gesundheit von Frauen. Ein sehenswerter, fantastischer Film, der lange nachwirkt.

>